„Ich habe niemals ein Verbrechen begangen“ – Dr. Franz Keilhofer referiert am Gymnasium über den Werdegang des NSDAP-Kreisleiters Josef Glück

„Ich wurde einmal Nationalsozialist, weil ich im guten Glauben war, dass durch die Vertretung der damals propagierten Ziele die z.Zt. meines Eintritts hoffnungslos gewordenen Verhältnisse in Deutschland zum Besseren gewendet würden. Ich … wollte mich also für andere einsetzen, was sicher kein unedles Motiv ist.“ Diese Worte findet der Sonderbeauftragte für die Ukraine Josef Glück, nachdem er von der Spruchkammer München im Zuge der Entnazifizierung für mehrere Einzelmorde sowie Massenmord in der Ukraine zur Verantwortung gezogen werden soll. Sie zeugen von einer Haltung, die exemplarisch ist für NS-Funktionäre nach dem Krieg allgemein und für den Fall Glück im Besonderen: Ablehnung von Verantwortungsübernahme, Leugnung der Tatsachen, Reinwaschung von Schuld.

Eine beispielhafte Karriere

Dabei ziehen sich Opportunismus, das geschickte Ausspielen von politischen Gegnern und Konkurrenten sowie die Auslöschung unliebsamer Gesellschaftsmitglieder wie ein roter Faden durch Glücks Karriere, welche in Zwiesel beginnt: der Wiedereintritt in die NSDAP, erst nachdem sie enormen Stimmenzuwachs erfährt und die Machtübernahme durch Hitler erfolgt ist; die Vertreibung jüdischer Familien aus Zwiesel, um seine Stadt „vorbildhaft“ als judenfrei zu präsentieren; die gnadenlose Umsetzung der Liquidierung des Gettos Luzk (Ukraine) als Sonderbeauftragter unter Reichsminister Rosenberg.

Lernen an lokalen Bezügen

Dass diese Liste sich noch weiter fortsetzen lässt, erfuhren die 11. Klassen des Gymnasiums Zwiesel in einem äußerst informativen und akribisch recherchierten Vortrag durch den Historiker Dr. Franz Keilhofer. Der gebürtige Zwieseler, der aktuell in München lebt und forscht, führte die Schülerinnen und Schüler durch das Leben des NSDAP-Kreisleiters Glück, der in der NS-Zeit auch Bürgermeister von Regen und Zwiesel war, und dessen „Karriere“ hier seinen Ausgangspunkt nahm. Dabei waren nicht nur der lokale Bezug und das umfangreiche Detailwissen, das Herr Dr. Keilhofer auf jegliche Nachfragen bereit war zu teilen, von großem Interesse.

Themen von erschreckender Aktualität

Am Ende waren es auch die aktuellen Bezüge – Umgang mit historischer Verantwortung, Empathie für die Opfer der deutschen Besatzung und ihrer Nachfahren in anderen Staaten, Verrohung von Sprache in den sozialen Medien, aber auch im öffentlichen Raum, sowie populistische Methoden einschlägiger Parteien – welche der Referent den Schulklassen eindringlich vor Augen führte.

Es beginnt mit der Sprache

„Es beginnt mit der Sprache“, so Keilhofer. Damit, wie andere bezeichnet und ausgrenzt, einfache Schuldzuweisungen für komplexe Probleme vorgenommen und vor allem auch schwere Verbrechen wie die Shoa als kaum erwähnenswerter Vorfall in der sonst so glorreichen deutschen Geschichte abgetan werden.

„Ich habe niemals ein Verbrechen begangen“, konstatiert Glück angesichts der Anklage wegen bezeugten Massenmordes an mehr als 15.000 Ukrainerinnen und Ukrainern. Zum Urteil über Glücks Schuld kam es übrigens gar nicht – der Prozess platzte. Glück wurde vom Amtsarzt aufgrund gesundheitlicher Probleme Reise- und Verhandlungsunfähigkeit attestiert, er lebte bis zu seinem Tod 1978 mit seiner Familie in Waldkraiburg.

(Silvia Kern)