„Fallschirmspringerwand“ und „Klagemauer“
Warum gibt es in einem Konzentrationslager eine „Fallschirmspringerwand“? Dass sich hinter dem Begriff eine Mauer verbirgt, von der Häftlinge von Wachmannschaften als Strafe oder auch nur zur Belustigung in den Tod gestoßen wurden, erfuhren die 9. Klassen des Gymnasiums Zwiesel, als sie mit ihren Geschichtslehrkräften im Rahmen einer Exkursion an einen außerschulischen Lernort zum Thema Nationalsozialismus einen begleiteten Rundgang über die KZ-Gedenkstätte Mauthausen unternahmen. Schnell wurde klar, dass diese zynische Bezeichnung nur eine von vielen im KZ und exemplarisch für die unmenschliche Behandlung der Inhaftierten gewesen ist.
Unmenschliche Bedingungen
Dies wurde für die Schülerinnen und Schülern auch bei der sogenannten „Klagemauer“ hinter dem Eingang zu den Baracken deutlich, eine Anspielung auf den Überrest des Herodianischen Tempels in Jerusalem, eine Heilige Stätte des Judentums, an welcher die Neuankömmlinge gleich nach ihrer Ankunft, ihrer Kleidung beraubt, vor den SS-Wachmännern in sengender Hitze oder auch eisiger Kälte stundenlang ausharren mussten, um so zum ersten Mal Demütigung und Scham zu erfahren. Kälte und Hitze waren es auch, welche den Häftlingen bei der Zwangsarbeit im „Wiener Graben“, dem Steinbruch der Anlage, zusetzten. Bei einer minimalen Nahrungszufuhr, Schlafmangel aufgrund der überfüllten Baracken und Ausruhverbot hielt die Mehrheit der Zwangsarbeiter die mühevolle Arbeit, bei der es galt, schwere Granitblöcke ins Lager zu schleppen, nur wenige Woche durch.
Vernichtung durch Arbeit
Nicht umsonst wird die Treppe, die auf dem Weg dahin zu erklimmen war, die „Todesstiege“ genannt: steil und uneben, stolperten viele aus Schwäche, wurden von fallenden Mithäftlingen mitgerissen oder von Wächtern bewusst gestoßen, wenn sie eine Pause einlegten. Kam es zu einer Verletzung wie einem Beinbruch oder einer Quetschung, war jedoch auch eine Verlegung ins „Sanitätslager“ keine gute Nachricht: einen kranken Häftling gesund zu pflegen widersprach der NS-Ideologie, wonach politische Gefangene, ethnische Minderheiten wie Sinti und Roma und Jüdinnen und Juden ohnehin keine erwünschten Mitglieder der arischen Volksgemeinschaft waren. Ihren Tod durch harte Arbeit nahm man nicht nur billigend in Kauf, sondern dieser war nach der Formulierung der „Endlösung“ sogar ausgesprochenes Ziel der Arbeitslager.
Erinnerung hält lebendig
Nachdenklich stimmte die Schülerinnen und Schüler dann vor allem noch einmal die letzte Station des Rundgangs: der abgedunkelte „Raum der Namen“, in welchem in weißer Schrift auf schwarzem Stein alle bisher bekannten Namen der Opfer des KZs Mauthausen vermerkt sind. Dieses sehr würdevolle und individuelle Gedenken an jeden Einzelnen, der sein Leben an diesem Ort verloren hat, erfüllt immerhin zweierlei Absichten: Erinnerung an das geschehene Leid, aber auch ein spätes Aufbegehren gegen das brutale Ziel der Auslöschung so vieler Menschenleben. Denn wie es der Künstler Gunter Demnig, der Initiator der Stolpersteine, formuliert: „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“
(Silvia Kern)